Iranreise Tag 3

Aus der Kategorie Travel - verfasst am 24. Dez. 2014

Aufwachen...

Puh, es gibt schöneres als komplett verkatert bei Jackie auf der Couch aufzuwachen. Ich schieb mal die Schuld auf das selbstgebrannte Zeug aus der Plastikflasche. Da um ca halb 11 Z. und Jackie schon munter sind, kämpfe ich mich mal auf. Mehr als Tee bringe ich nicht runter. Irgendwie muss ich aufs Klo, aber ich würde das gerne vermeiden. In der Wohnung von Jackie gibt es leider nur ein winziges orientalisches WC. Nun gut, mein Körper übernimmt die Entscheidung und ich füge mich dem Schicksal, das eine besondere Art von Humor besitzt. Das gute Stück an Ausscheidung ist wohl das größte Fabrikat dieses Jahres. Nach dem 5. Mal spülen steht es endgültig fest, das Ding passt nicht durch das Abflussrohr.

Keine Panik denke ich mir, da muss es eine Lösung geben. Mhh Lösung im wortwörtlichen Sinne; es muss sich auflösen/zerkleinern lassen können. Glücklicherweise besitzt jedes orientalische Klo einen Wasserschlauch. Es folgt ein 10 minütiger Kampf Wasser gegen Kot, dessen Resultat sich sehen lassen kann. Jetzt kann ich ohne schlechtes Gewissen das WC verlassen. Zs "r u alright?" kommentiere ich lächelnd mit "it was quite an experience".

Z und Jackie haben leider keine Zeit für mich, daher organisiert Z wieder einen Ersatz für mich, der natürlich wieder weiblich ist. Da Jackie ziemlich lässig drauf ist, blicke ich dem Nachmittag optimistisch entgegen und vertraue auf den guten track record. Ich werde nicht enttäuscht, mit einer halben Stunde Verspätung taucht Lisi (Name geändert...) mit ihren kleinen 2-Türer auf. Ein makelloses Gesicht mit strahlendem Lächeln begrüßt mich. Der rote Lippenstift und der helle Taint lassen mein Herz höher schlagen. Ein "gute Wahl Z." schießt mir mit einem leichten Grinsen durch den Kopf. Z. erklärt ihr noch wo mein Hotel ist, bei dem sie mich am Abend abliefern soll, und rucks geht es los. Der teheraner Verkehr ist nichts für mich. Ich würde es als Aneinanderreihung von Beinaheunfällen beschreiben, aber ich bin begeistert wie sich Lisi durch das Meer an Autos meistert. Sie will mir ein richtig iranisches Lokal samt traditioneller Kost zeigen.

Mittagessen

Da die Autofahrt nun doch etwas länger dauert, werde ich leicht nervös. Eine alkoholbedingte Übelkeit steigt in mir hoch und ich hoffe inständig, dass diese Fahrt bald zu Ende ist, sonst muss ich sie auf sehr unschöne Art beenden. Meine Small-Talk-Fähigkeiten leiden zunehmend unter den Kraftanstrengungen, die für eine katastrophenfreie Autofahrt nötig sind.

Glück gehabt, wir sind tatsächlich beim Lokal angekommen und es ist sogar ein Platz frei, was laut Lisi eine Seltenheit ist. Da ich natürlich etwas neues probieren will, bestellt Lisi ein "abguscht" (richtigen Namen liefere ich nach, aber es spricht man so aus ;)) für mich. Das eines der ältesten persischen Gerichte. Zuerst wird ein Krug mit Lamm, einen Fettklumpen, sowie diversen anderen Zutaten serviert, die mich stark an ein Gulasch erinnern. Die Flüßigkeit wird auf den Suppenteller geleert und ist somit die Vorspeise. Als Beilage gibt es eine Art Fladenbrot. Da mein Magen immer noch nicht so mitspielt, erkläre ich Lisi, dass ich dieses traditionelle Essen ganz langsam zu mir nehme, da ich jeden Moment genießen will.

Alles verzögern hilft nicht mehr, ich muss mich der Hauptspeise stellen. Nun kann ich mich entscheiden, ob der Kellner es zubereiten soll, oder ob ich selbst Hand anlege. Na den Spaß lass ich mir nicht entgehen. Der ganze Inhalt des Kruges wird mit einem holzartigen Gerät, nennen wir es mal Zerstampfer, zerstampft. Etwas ungläubig gehe ich ans Werk, während eine lachende Lisi laufend Fotos schießt. Nach ca 5 Minuten hab ich eine breiige Masse vor mir, die ich auf das Fladenbrot schmiere. Ein paar Gewürze gibt es natürlich auch. Beim Verzehr der Speise bewundere ich ein wenig die alte Essenskultur, die es in dieser Form bei uns nicht gibt. Ich stelle mir gerade vor, wie vor tausenden Jahren die Perser auf die gleiche Art speisten. Diesem rituellen Verzehr kann ich etwas abgewinnen, das hat einfach mehr Stil als der fertig servierte Schweinsbraten mit Knödel.

Stampfen Ich beim Zerstampfen

Weiter geht die Fahrt, es ist nun fast 16 Uhr und eigentlich habe ich nur zu Mittag gegessen. Naja, dem Studentenleben nicht unähnlich. BTW Lisi fängt nun auch wieder mit dem Studium an, sie lernt gerade für die Zulassung zu einem PhD-Programm. Wenn man mit 2 Master weniger als 200$ verdient (unser mittagessen eben kostete ca 10$ pp), verstehe ich das. Wir sprechen ein wenig über Musik, ich erwähne, dass ich für 2 Jahre Gitarre spielen lernte. Das dürfte Lisi ein wenig an Bryan Adams erinnert haben, für die restlichen Autofahrten ist er unser ständiger Begleiter. Die ganze Situation wirkt etwas surreal; ich werde mitten im Iran von einer attraktiven Frau herumkutschiert und wir singen gemeinsam zu Bryan Adams. Die Kombination dieser drei Aspekte machen es wohl zur meiner unvergesslichsten Autofahrt. Dank Rush Hour kann ich sie voll genießen.

Das Museum für zeitgenössische Kunst hat leider geschlossen. Die Frau des letzten Shahs eine große Kunstmäzenin, so befindet sich in der Hauptstadt der islamischen Republik die umfangreichste Sammlung moderner Kunst außerhalb von Europa und den USA.

Da wir heute noch mit dem Bus nach Yazd reisen, endet dieser Abend leider viel zu früh. Die Busfahrt an sich war relativ unspektakulär. Im Morgengrauen erreichen wir die Wüstenstadt und Z hat sich extrem verkühlt. Mehr dazu im nächsten Eintrag.