Was für ein Wochenende! Die Anreise nach Port Lympne war etwas mühsam, aber es hat sich ausgezahlt. Die Entscheidung für das letzte Stück ein Taxi zu nehmen, war wettertechnisch ein Fail. Als der erste Fuß aus dem Auto war, fing es zum Schütten an. Wir waren komplett durchnässt und wir hätten uns das erspart, wenn wir mit dem Bus gefahren wären, der eine 3/4 Stunde später beim Gelände ankam, denn um diese Zeit ist der Regen schon in ein Nieseln übergegangen. Hättiwari spielt es nicht, außerdem hätten wir wahrscheinlich nicht die Bekanntschaft mit dem Welfare Tent gemacht.
Das Welfare Tent dürfte eine britische Festivalerrungenschaft sein, die noch nicht bei uns Einzug gehalten hat. In diesem Zelt landen die Besucher, die keine direkte medizinische Hilfe benötigen. So konnten wir uns am letzten Tag eine Sonnencreme ausborgen. Im Normalfall ist es jedoch das Ausnüchterungszelt und laut Betreuerin betrifft das nicht nur Alkohol. Jedenfalls konnte sie uns ein paar witzige (und arge) Geschichten erzählen, ich beneide die Betreuer nicht um ihren Job.
Da es aber die Nacht vor dem ersten eigentlichen Festivaltag war, konnten wir hier im beheizten Zelt unsere Kleider und das Bettzeug trocknen und nebenbei ein wenig mit den Betreuern tratschen. Nachdem wir uns genug Mut angetrunken hatten, trauten wir uns wieder in unser nasses Zelt zurück.
Da wir uns das Wetter am Vortag ja etwas schön trinken mussten, starteten wir später in den Tag. Vormittags besuchten Leo und ich kurz den Zoo und holten dann Dominik ab, der erst heute anreisen konnte. Erst am Freitag anzureisen war vielleicht keine schlechte Idee, denn es hat das ganze Festival lang nicht mehr geregnet.
Von den Bands her interessierte mich nur Coheed and Cambria wirklich, die meisten anderen waren nichts für mich. The Dillinger Escape Plan konnte man sich vom Zeltplatz aus in ausreichender Lautstärke anhören. Für A Wilhem Scream zitiere ich den Leo: "Ist das die Erwachsenenversion von Blink 182?". Protest the Hero lieferte schon bessere Vorstellungen ab, die Hasstirade des Sängers auf die Selfie-Sticks und sein "You are all mediocre" finden meine volle Zustimmung.
Wettermäßig näherte man sich den idealen Festivalbedingungen:
Das Hevy Fest findet direkt neben dem Wild Animal Park statt und im Festivalpreis ist auch der Eintritt für den Zoo enthalten. Ungefähr 1000 andere Festivalbesucher hatten die gleiche Vorstellung, wie sie die Zeit bis zu den ersten guten Bands verbringen wollten: Tiere schauen!
Die Mischung aus extrem tätowierten Festivalbesuchern und Familien mit kleinen Kindern sorte beim Anblick der Besucherströme des Animal Parks für surreale Eindrücke.
Wir buchten natürlich gleich die Safari-Expedition zu den großen Wildtieren. Nashörner, Giraffen, Elefanten,... das ganze Programm konnten wir sitzend auf dem Transporter, der mich stark an das Bundesheer erinnerte, beoabachten.
Die Gorillas sind schon sehr mächtige Tiere:
Am späten Nachmittag machten wir uns wieder auf den Rückweg zum Festivalgelände. Schön langsam begannen die (für uns) interessanten Bands zu spielen. Auf Festivals finde ich es toll, dass man sicher jedes Mal ein bis zwei Bands für sich entdeckt, die man vorher nicht kannte. Bei The Fall of Troy war dies der Fall. Schnelles Gitarrenspiel, melodisch und heavy. Der Sänger weiß darüberhinaus, wie man sich in den Köpfen mancher Besucher verewigt. Während eines Liedes spuckte er ungefähr einen Meter direkt über ihn in die Luft, fing die Spucke wieder auf und schluckte sie hinunter. Ziemlich grauslich, das dachte sich auch die junge Dame in der Reihe vor mir, die sich entsetzt zu ihren Freund umdrehte und jeder Gesichtszug verbalisierte sich zu einem abgrundtiefen "Wähhhhh".
Das letzte Lied ging sich für uns nicht mehr aus, denn auf der zweiten Bühne brachten sich meine Favoriten des Festivals, Horse the Band in Stellung. Privat höre ich die Musik zwar nicht, aber live muss man sie gesehen haben. Metalcore von Nerds, da darf der 8-Bit Nintendo-Sound nicht fehlen. Die Stimmung war ein Wahnsinn und dass man sich selbst nicht ganz ernst nimmt, erkennt man am besten beim Triangelspieler, der für Metalcore ja sehr wichtig ist:
Komplett in rosa Unterwäsche hämmerte unentwegt auf die Triangel, stürzte sich anschließend in den Mosh Pit und verletzte sich dann mit dem eigenen Knie am Auge. Das nenne ich Einsatz:
Der Headliner Thrice interessierte mich weniger und nach den ganzen Strapazen der letzten Tage war ich schon froh, wie wir um halb 12 beim Zelt angekommen sind. Um 11 am Abend ist auf der Bühne schluss, denn die Wildtiere im Park brauchen ihre Nachtruhe.
Super Festival, tolles Wetter und ein Wildpark direkt neben dem Gelände. Die öffentliche Anreise war etwas mühsam, ich glaube zeitlich wäre nicht viel Unterschied gewesen, wenn man von Österreich direkt mit dem Auto hingefahren wäre, denn Port Lympne liegt an der englischen Südküste. Falls wer musikalisch etwas damit anfangen kann, oder offen für neues ist, dem sei ein Besuch herzlich empfohlen. Ich bin jedenfalls froh, mich jetzt in London in einem 4 Sterne Hotel vom Wochenende erholen zu können ;)